Die Erfolgsquote kann Verkäufer so unter Druck setzen, dass eine Vielzahl von Kundenwünschen unterschätzt oder auch schlicht übersehen wird. Es sind nicht allein Preis und Termin, die über die Auftragsvergabe entscheiden. Um allerdings Kundenorientierung vom Erstkontakt über Angebotserstellung, Produktion, Weiterverarbeitung und Auslieferung zum Ausdruck bringen zu können, ist stets jeder und das ganze betriebliche Team gefragt.
Im alltäglichen Wettbewerb um Neukunden und Folgeaufträge steht der persönliche Erfolg des Verkäufers im Vordergrund. Diese oft existenzgetriebene Notwendigkeit nach Umsatzergebnissen verführt in der Praxis gelegentlich zu waghalsigen Terminzusagen und Preisnachlässen. Einkäufer spüren durch ihre Erfahrung jedoch sehr genau, ob ein Verkäufer einen neuen Auftrag unbedingt braucht oder ob er ein interessanter Partner auf Augenhöhe ist.
Servant Selling beschreibt für die Ausrichtung der Verkaufsarbeit einen erfolgreichen Weg. Neukundenakquisition, Auftragsgewinnung und die Kundenbetreuung sind in diesem Konzept neben Fertigung und Auslieferung des Produkts eine große gemeinsame Aufgabe. So werden die Verkäufer, die Kundenbetreuer und alle Mitarbeitenden in den technischen Abteilungen bis hin zum Versand mit einbezogen und fühlen sich zuständig für ein gutes Gelingen.
Beispiel Neukundenakquise: Wie hilfreich ist der Innendienst?
Die klassische Form des „Klinkenputzens“ ist auch für hartgesottene Außendienstler kein Zuckerschlecken. Oft blitzt man ab, wird nicht zum Entscheider vorgelassen, ein ums andere Mal vertröstet oder als Türöffner zu ruinösen Preisnachlässen genötigt. Doch entschuldigt die schwierige Situation beim Auftraggeber nicht alles. Es muss auch die Frage erlaubt sein, wie gut die Besuche bei Neukunden vorbereitet sind. Diese Investition erfordert Kraft und die Bereitschaft, sich als Außendienst-Mitarbeiter immer wieder neu zu motivieren.
Durch eine professionelle Zusammenarbeit mit den Kundenbetreuern im Innendienst wird dieses Engagement unterstützt. So können wichtige Daten und Fakten über die definierten Kunden im Team zusammengetragen und gemeinsam ausgewertet werden. Dabei wird vor allem genau festgehalten, warum ein bestimmter Kunde gewonnen werden soll und welchen Mehrwert man ihm dafür anbieten kann. Womit lässt er sich begeistern? Das kann zum Beispiel ein besonderes Produkt oder ein spezieller Fertigungsprozess sein, ein Betreuungskonzept oder eine besondere Form der Zusammenarbeit.
Dieser Art der Vorbereitung kommt ein besonderer Stellenwert zu. Nicht selten haben auch die Kollegen aus den technischen Abteilungen hierfür sehr gute Anregungen und Ideen. Durch die gemeinsame Erarbeitung der Zielkundensituation fühlen sich alle zuständig und verstehen, was es bedeutet, einen neuen Kunden zu gewinnen.
Noch immer scheitern mehr als 80 Prozent der Versuche, neue Kunden zu gewinnen, vor allem an der miserablen Vorbereitung!
Beispiel Auftragsgewinnung – Auch das sollen wir noch machen?
Die Akquisition von Aufträgen bei vertrauten Bestandskunden findet mittlerweile unter ähnlich harten Wettbewerbsbedingungen statt und bildet damit eine ebenso große Herausforderung wie das Neukundengeschäft. Auch hier gilt es sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen: Warum ist dieser Auftrag bei uns? Welche unserer Eigenschaften schätzt der Kunde besonders?
Diese Argumente müssen für alle absolut klar und jederzeit abrufbar sein, denn sonst können wir sie nicht kommunizieren. Fehlen sie, werden wir in Verlegenheit gebracht und zu Floskeln oder Gemeinplätzen verführt, wie „wir haben gute Qualität“ oder „wir können das billiger“. Der durch solcherlei unbedachte und unvorbereitete Kommunikation entstehende Schaden ist erheblich. Denn dadurch verlieren wir beim Kunden an Profil, werden von ihm in die Gruppe der breiten Masse eingeordnet und verlieren sowohl an seiner Aufmerksamkeit als auch an eigener Attraktivität.
Ist der umworbene Auftrag dann im Haus, erfordert er wiederum die dienstleistungsorientierte und kooperierende Grundhaltung aller Mitwirkenden: Wie können wir dem Kunden durch unsere Form der Zusammenarbeit zeigen, dass er sich für uns richtig entschieden hat?
Das Image, das sich auf dieser Grundlage aufbaut, wird die Auftragsgewinnung in Zukunft wesentlich erleichtern, weil sich Vertrauen aufbaut und eine Kompetenzvermutung entsteht: „Die können das richtig gut und machen es auch sehr gerne.“
Beispiel Kundenbetreuung – Womit stehlen wir dem Kunden seine Zeit?
Die zunehmende Vergleichbarkeit von Standardprodukten erzeugt einen enormen Druck. Die Frage, was wir für den Kunden tun können und wie viel davon er bezahlt, entscheidet sich auch an unserer Selbstpositionierung im Markt. Die Art und Weise der Kundenansprache, der Kommunikation, des Umgangs mit dem Kunden insgesamt drückt dies erlebbar aus. Auch die besonders heiklen Reklamationen sind in der Betreuung der Kunden eine Herausforderung. Noch mag der Kunde mit uns sprechen und uns seine Unzufriedenheit mitteilen. Hören wir nicht zu, könnte er aber eines Tages verstummen. Dann sehen wir von seiner unausgesprochenen Verärgerung nur noch ein deutlich rückgängiges – für uns womöglich unerklärliches – Auftragsvolumen.
Es wird für die weitere Zusammenarbeit entscheidend sein, ob sich der Kunde in seinem Anliegen stets richtig und vollständig verstanden fühlt sowie den Auftrag als in seinem Sinne realisiert sieht. In diesem Zusammenhang nimmt eine immer wichtiger werdende Rolle ein, seine Zwänge und Schwierigkeiten aus Dienstleistungssicht nachvollziehen und sich darauf einstellen zu können.
Ganz praktisch drückt sich das zum Beispiel in unserer Klarheit und Freundlichkeit am Telefon aus, in der Verständlichkeit unserer Angebote und Rechnungen, in der Angemessenheit unserer Preise, im Mitdenken und –fühlen der Kundenseite und nicht zuletzt in der motivierenden und inspirierenden Kraft, die im Kundenkontakt durch uns erzeugt wird.
Fallen wir dem Kunden zur Last oder hat er das Gefühl, wir rauben ihm Zeit, dann findet die Zusammenarbeit sicher schnell ein Ende.
Fazit
Die gemeinsame Ausrichtung auf das Grundprinzip des Servant Selling stellt eine wirksame und erfolgreiche Alternative zur aggressiven Dumping-Preis-Schlacht dar. Denn der Erfolg kommt nur durch die Wirkung des gemeinsamen und guten Arbeitens zustande; er ist nicht von den Verkäufern alleine zu realisieren. Jeder auf seinem Posten bringt sich ein und dient somit dem Kunden, seinem eigenen Betrieb und damit sich auch selbst.
Quick-Check: Sind wir für unsere Kunden schon Dienstleister oder noch Anbieter?
- Warum ist ein bestimmter Kunde für uns besonders wichtig?
- Welchen Mehrwert können wir ihm anbieten, was begeistert ihn?
- Für welche Eigenschaften schätzen uns unsere Bestandskunden?
- Was macht die Zusammenarbeit mit uns qualitativ wertvoll?
- Mit welchen positiven Eigenschaften stellen wir uns im Markt dar