Die Corona-Pandemie hat in vielen Unternehmen auch eine Mitarbeiter*innenkrise ausgelöst. Laut dem Job-Report 2021 von Stepstone* ist heute jede und jeder zweite Befragte unzufriedener mit dem aktuellen Arbeitsplatz sowie den Jobaussichten. Das ist eine deutliche Verschlechterung zum Sommer 2020, damals waren nur 22 Prozent unzufrieden. Dabei brauchen die Unternehmen gerade jetzt motivierte und zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das druck medien Magazin im Gespräch mit Businesscoach und Organisationsentwickler Jürgen Schmidt-Hillebrand über Motivation und wie Unternehmen leistungsfähiger werden.
Wie können Unternehmen jetzt – in der nach wie vor labilen wirtschaftlichen Situation – ihre Mitarbeiter*innen motivieren?
Die Corona-Pandemie hat im Grunde demaskiert, wie gut die Führungsmannschaft tatsächlich führen kann. Die einen haben Kurzarbeit und andere Maßnahmen ausgerufen, nach dem Motto “Das ist jetzt so”. Die anderen haben zwar die gleichen Maßnahmen beschlossen, sich aber um die Mitarbeiter*innen gekümmert. Sie haben Kontakt gehalten, ihnen signalisiert‚ wir wollen euch weiterhin an Bord haben. Die Frage auf dem Prüfstand: wer wird wohl die motivierteren Mitarbeiter*innen haben?
Na letztere. Arbeitsplatzsicherheit ist aber nur ein Aspekt, welche Rolle spielt das Gehalt?
Weniger, als viele Unternehmen denken. Für Berufsgruppen, die prekäre Entgelte haben, ist Geld natürlich ein großer Motivator. Allerdings verliert laut Studien selbst eine Gehaltserhöhung von 500 Euro bereits nach drei Monaten ihre Wirkung. Im ersten Monat freut man sich noch, nach drei Monaten ist das neue Gehalt schon selbstverständlich.
Gerade jetzt sind die Aussichten auf Gehaltserhöhungen aber ohnehin eher düster …
Stimmt, aber es kommt auch immer darauf an, wie die Unternehmen mit Gehaltswünschen umgehen. Es macht einen Unterschied, ob ich als Führungskraft meinen Mitarbeiter*innen vorrechne, wie teuer sie sind, oder ob ich sage‚ “Ich würde dir gerne mehr zahlen, aber im Moment geht das aus diesen oder jenen Gründen nicht”. Das hat etwas mit Wertschätzung zu tun, damit, dass ich den Menschen sehe und nicht nur einen Budgetposten.
Auf Ihrer Website steht „Wer Leistung möchte, muss Sinn stiften“. Was heißt das für Produktionsbetriebe?
Wer einen Sinn in der Arbeit sieht, wird glücklicher sein und sich mehr anstrengen. Eine sinnvolle Arbeit ist aber nicht nur eine kreative oder karitative Tätigkeit. Sinn hängt nicht von der Art der Tätigkeit ab, sondern von Wertschätzung und der Beteiligung am großen Ganzen. Ein Hotelmanager hat beispielsweise zu einem Geschirrwäscher gesagt, wie toll es ist, dass das Geschirr immer sauber ist und dass sauberes Geschirr ein Aushängeschild für das Hotel sei. Die Botschaft dahinter war “Ich sehe das, was du tust und würdige es”. Der Geschirrwäscher ist über sich hinausgewachsen, vor Stolz auf seine Arbeit.
„Führung kostet Zeit und ist Arbeit. Aber es zahlt sich aus.“
Zufriedenheit kann aber auch Wohlfühlen im Team bedeuten. Kann ich als Führungskraft das Teamklima überhaupt beeinflussen?
Ja definitiv. Das Teamklima hängt eng mit der Unternehmenskultur zusammen. Und es gibt immer eine Kultur, selbst in der absoluten Anarchie oder bei Hire-and-Fire-Firmen. Um als Führungskraft für zufriedene Mitarbeiter zu sorgen, muss ich verstehen, dass ich einen entscheidenden Anteil daran habe, wie diese Kultur aussieht. Führung kostet Zeit und ist Arbeit, aber es zahlt sich aus, hier zu investieren.
Viele Führungskräfte kommen aber ins Management, weil sie Fachexpert*innen sind. Wie gelingt der Switch zur Führungskraft?
Das beginnt bei der Grundannahme, dass ich nicht eine Fachkraft mit Team bin, sondern Führungskraft. Ich muss nicht der oder die Beste auf einem Gebiet sein, um eine gute Führungskraft zu sein. Der beste Verkaufsleiter ist nicht der beste Verkäufer, die beste Schichtleiterin nicht die beste Maschinenführerin. Die besten Führungskräfte sind vielmehr diejenigen, die die Menschen in ihrem Team so führen, dass diese gut verkaufen oder effizient drucken können. Das ist ein gewaltiger Switch, auf den man sich einlassen muss. Denn Führen muss man lernen.
Trotz aller Arbeitslosenzahlen sind gute Facharbeiter*innen weiterhin Mangelware. Was raten Sie Unternehmen im sogenannten „War of Talents“?
Wichtig ist immer die Frage, wen suchen wir und wer passt zu uns. Also welche Fähigkeiten brauchen wir als Führungskräfte, wie ist die Jobbeschreibung und wer passt ins Team? Dabei spielt Diversität eine große Rolle. Statt nach Gleichen zu suchen, braucht es unterschiedliche Charaktere und Stärken. Nur so kann jede und jeder die eigenen Stärken ausspielen, nur so entstehen Dynamik und Innovation.
„Ein Unternehmen ist dann attraktiv, wenn es cool ist, dort zu arbeiten.“
Ein Unternehmen ist dann als Arbeitgeber*in attraktiv, wenn es eine starke Marke hat, wenn es cool ist, dort zu arbeiten. Ein Unternehmen muss nicht die höchsten Gehälter zahlen oder die Obstschüssel in die Küche stellen. Vielmehr geht es darum, ob sich jemand im Unternehmen darum kümmert, dass alle ihren Platz haben, wo sie ihre Stärken ausspielen können und ob sich die Mitarbeiter*innen wertgeschätzt fühlen.
Druckereien suchen zunehmend auch IT-Techniker*innen und andere Berufsbilder und stehen hier in einem starken Wettbewerb. Wie können Druckereien und Medienbetriebe potenzielle Mitarbeiter*innen für sich gewinnen?
Unternehmen brauchen Plattformen, wo sie zukünftige Kandidat*innen kennenlernen können und umgekehrt. Das kann eine Messe oder eine Veranstaltung oder etwas ganz anderes sein. Wichtig ist, dass der eigene Mehrwert, der eigene Purpose spürbar wird. Die Druck- und Medienbranche ist ein sehr schöner technischer Bereich mit einer faszinierenden Vielfalt an Verfahren und Berufsfeldern und hat viel zu bieten. Die Branche muss sich nicht verstecken.
Vielen Dank für das Gespräch!
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