Wie reagieren Chefinnen und Chefs in so einer Situation richtig?
Zunächst geht es meines Erachtens darum, den Mitarbeitern zu signalisieren, dass ich mich als Chef oder Chefin zuständig fühle für den Umgang mit den großen und kleinen Schwierigkeiten, mich kümmere und regelmäßig informiere. Dies ist das wichtigste Signal: die eigene Verantwortung und Zuständigkeit klar auszudrücken, mich als Chef und Chefin dazu zu bekennen.
Zudem ist es sehr hilfreich einen betrieblichen Krisenstab einzurichten mit Vertretern aller Betriebsbereiche. In diesem Krisenstab können gemeinsam Maßnahmen entwickelt, deren Auswirkungen reflektiert und die Umsetzung in den Teams koordiniert werden.
Welche Fehler sollten auf jeden Fall vermieden werden?
Aus meiner Sicht sind es drei große und schwerwiegende Fehler, die das betriebliche Vertrauen auch nachhaltig beschädigen.
Erstens: Nicht zu kommunizieren und den Mitarbeiter*innen, nicht zuzuhören. Selbst wenn die Situation unübersichtlich ist, das eigene Handeln noch unklar, auf die vielen Fragen noch keine endgültigen Antworten parat sind, auch das kann und sollte so kommuniziert werden.
Zweitens: Die Situation zu ignorieren oder runterzuspielen und mit Floskeln den Fragen ausweichen. Hier zeigt sich dann eine Verantwortungslosigkeit. Man gibt einfach keine Antwort oder tut so, als hätte man alles im Griff, oder die Dinge sind nicht so wichtig.
Drittens: Operative Hektik. Unüberlegt Dinge entscheiden und tun, deren Auswirkungen die Mitarbeiter betreffen. Den Zeitmangel beständig als Grund hervorheben, dass jetzt nicht darüber gesprochen oder nachgedacht werden kann. Dann werden Maßnahmen einfach nur verkündet und die Betroffenen sind eben betroffen. Verschärfend für diesen Fehler ist eine reine Notfall-Kommunikation. Dann wird fast militärisch gesprochen und gehandelt. Aber: Krisen sind keine akuten Notfälle.
Wie bindet man Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem Krisenfall ein?
Durch den erwähnten Krisenstab mit Vertretern aus den Teams und einem vorbildlichen sich Kümmern und miteinander kommunizieren. Dazu gehören der Dialog und ganz besonders das Zuhören. Hinzu kommt die verständliche und transparente Information über die nächsten Schritte.
Wie geht man mit den Ängsten, Sorgen und Unsicherheiten der Angestellten um?
Dies ist sicherlich eine besondere Herausforderung. Einerseits braucht es persönlich eine innere Moderation der eigenen Ängste und Sorgen. Dies ist oft schon schwierig. Sich dann noch mit den Ängsten und Unsicherheiten der Mitarbeiter*innen zu beschäftigen, erscheint vielleicht als Zumutung.
Hier ist es aus meiner Sicht wichtig, die Angst und Unsicherheit als menschliche Reaktion auf Krisen zu akzeptieren. Sie sind Teil der sozialen Wirklichkeit. Diese Akzeptanz schafft Nähe, stärkt das Vertrauen und verbindet uns alle auf einer menschlichen Ebene.
Akzeptanz bedeutet sagen zu können: „Ja, diese Krise schafft Unsicherheiten und macht Angst. Das geht mir ebenso wie Euch. Meine Aufgabe ist es, das Unternehmen mit Euch durch diese Krise zu steuern. Trotz der Angst und Unsicherheit. Wir sind ein starkes Team. Wir machen das gemeinsam“
Wie sollten Führungskräfte reagieren, wenn es unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Spannungen gibt?
Konflikte und Spannungen zwischen Menschen gehören zum sozialen Miteinander. Führungskräfte haben die Aufgabe sich bei Spannungen und Konflikten im Team darum zu kümmern. Hier geht es um Überparteilichkeit. Alle Betroffene zunächst anhören, deren Sicht nachvollziehen und von ihnen auch einen Beitrag zur Konfliktregelung einfordern. Das ist erfahrungsgemäß eine wirksame Teamregel. Teams brauchen Regeln, die von allen akzeptiert werden und die Führungskraft achtet auf das Einhalten dieser Regeln.
Wie gehen Führungsverantwortliche am besten in Mitarbeitergespräche?
Vorbereitet. Motiviert. Konstruktiv. Sinnstiftend.
Gut geführte Mitarbeitergespräche sind wertvoll. Es findet eine Begegnung zwischen Mitarbeiter und Führungskraft im Dialog statt.
Müssen Chefin und Chef immer auch Motivator sein?
Ein angstfreies und wohlwollendes Arbeitsumfeld im Betrieb und in den Teams wirkt immer motivieren. Dafür sind die Führungskräfte zuständig.
Als Chef oder Chefin ist es also wesentlich, gute Führungskräfte auszuwählen und diese kontinuierlich weiterzuentwickeln: fachlich und menschlich.
Gibt es unterschiedliche Führungstypen und wenn ja, welche?
Ja, die gibt es aus meiner Erfahrung und dies wird gerade in Krisen deutlicher sichtbar:
Dem Führungstyp I entsprechen Führungskräfte, die Führungsarbeit im Alltag wirklich praktizieren, sich dafür Zeit nehmen und den einzelnen Mitarbeiter und das Team fördern und entwickeln. Die sich wirklich kümmern und zuständig fühlen, dabei auch mit den anderen Führungskräften kooperieren, das Wohl des Betriebs und den Nutzen für den Kunden im Blick behalten.
Dem Führungstyp II rechne ich Personen zu, die Führungskraft heißen, aber eigentlich nur erfahrene Sachbearbeiter sind. Deren Führungsstil ist eng und beruht auf sehr alte Grundannahmen. Da geht es vorwiegend darum, den Mitarbeiter effizient zu machen, damit alles rund läuft und funktioniert.
Wie viel Verantwortung sollten gute Führungskräfte delegieren?
Delegieren bedeutet immer auch die Verantwortung für die Aufgabe zu delegieren. Ansonsten entsteht Doppelarbeit mit einem enormen Kontroll- und Zeitaufwand. Grundlage ist das Vertrauen in die Fähigkeit des Mitarbeiters und in seine Bereitschaft zu lernen.
Auch Führungskräfte machen Fehler. Wie sollten sie damit umgehen?
Fehler sind im Grunde genommen Erfahrungen. Aus Erfahrungen kann jeder lernen. Führungskräfte genauso wie Mitarbeiter. Hervorragend ist es in den Betrieben, wo das im Team geteilt wird: „Dies ist mir passiert, mit diesen Auswirkungen. Das habe ich gelernt.“ Und manchmal braucht es eben auch ein aufrichtiges „SORRY, bitte“.
Gibt es einen Unterschied zwischen Krisen, die von außen einwirken – wie jüngst die Corona-Pandemie – und solchen, die innerbetriebliche Ursachen haben?
Da gibt es einen eindeutigen Unterschied: die durch Covid 19 verursachte Naturkatastrophe betrifft alle Menschen, alle Betriebe.
Wenn hausgemachte Ursachen ein Unternehmen in eine Krise bringen, dann gab es lange Zeit einen blinden Fleck in der Gesamtsteuerung. Schnell ist dann der Markt, die Preise, die Mitarbeiter, der Mitbewerber oder gar die Kunden Schuld.
Bedrohlich wird es für einen Betrieb aber, wenn beides zusammentrifft. Eine Pandemie mit all den Schwierigkeiten und grundlegende betriebliche Ursachen, die jetzt noch deutlicher zutage treten.
Viele Druckereien haben nur ein kleines Team. Müssen sich Chefinnen und Chefs mit weniger Angestellten anders verhalten als solche, die über 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben?
Je kleiner der Betrieb ist, um so leichter wird es sein, die emotionale Verbundenheit der Beschäftigten zum Betrieb aufrechterhalten zu können. Dies geschieht durch gute Kommunikation, Dialog und Zuhören. Der Krisenstab wird vielleicht nur aus zwei bis drei Führungskräften und dem Unternehmer bestehen. Das ist ein Vorteil, weil Abstimmungen schnell erfolgen können. Zudem haben ein Chef und eine Chefin hier in der Regel ohnehin einen guten Kontakt zu jedem Mitarbeiter.
Bei großen Betrieben ist das eine zusätzliche Herausforderung. Die emotionale Verbundenheit der Belegschaft trotz Kurzarbeit, Homeoffice und ggf. Entlassungen aufrecht erhalten zu können. Dabei die Kommunikation so zu gestalten, dass sie Transparenz, Klarheit und Orientierung bietet. Ist der Krisenstab größer, kann es sehr unterschiedliche Botschaften und Informationen geben, weil jeder etwas anders berichtet. Dies würde die Verunsicherung der Mitarbeiter verstärken.
Wann lohnt es sich, sich auch Unterstützung von außen, zum Beispiel durch Seminare oder externe Berater, zu holen?
Eine große zusätzliche Gefahr besteht darin, in der eigenen Betriebsblindheit den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen.
Grundsätzlich ist auch in Krisenzeiten externe Beratung ebenso wertvoll, wie die Reflexion und Knowhow aus Seminaren und Workshops. Hervorragende Angebote gibt es hier beim Verband Druck und Medien Bayern oder in einem der anderen Landesverbände des VDM.
Empfehlen Sie Führungskräften, vorbeugend auf Krisen zu reagieren, beispielsweise durch einen Notfallplan?
Akute Notfälle brauchen gute Pläne: ein klares Ja! Aber Krisen sind keine Notfälle.
Denn Krisen unterscheiden sich, dauern länger, sind Prozesse. Die Reife der betrieblichen Arbeits- und Führungskultur hilft in der Krisenbewältigung enorm. Diese entsteht aber über lange Zeiträume und muss genährt, gehegt und gepflegt werden. Vor allem aber muss deren Bedeutung bewusst sein bei den Verantwortungsträgern und Führungskräften. Oft wird dieser für die Wertschöpfung des Betriebes bedeutende Faktor „Arbeitskultur“ schlicht ignoriert. Oder als purer Luxus verstanden.
Für Krisen gibt es keinen schon fertigen Plan, nur zunehmende Kompetenz mit Krisen umgehen zu können. Dafür ist es sicher sinnvoll aus der Corona-Krise konkret und gemeinsam zu lernen. Als Führungskraft, Mitarbeiter, Team, und als Gesamtbetrieb.
Wie sollte eine überstandene Krise im Nachhinein aufgearbeitet werden?
Nach der Krise kann gemeinsam Bilanz gezogen und die wichtigsten Erfahrungen und Learnings hervorgehoben werden.
Wesentlich dabei ist es aus meiner Erfahrung, den fast hypnotischen Blick von den Schwierigkeiten und Gefahren zu lösen, den Blickwinkel konsequent zu erweitern und auch das Gelingende in der Krise wahrzunehmen, wertzuschätzen und auch darüber zu kommunizieren. Das verändert sehr viel!
Noch wichtiger und hilfreicher ist es, dies schon im Verlauf der Krise zu tun. In den Teams als Blick auf die Woche, im Betrieb als Rückschau auf den Monat: „Was lief gut, was funktionierte fast schon selbstverständlich, was war mühevoll oder ging schief? Was sind die Erfahrungen und Schlussfolgerungen daraus? Was heißt das für die nächste Woche, den nächsten Monat?“
Man sagt, Krisen seien immer auch eine Chance. Wie sehen Sie das Ihrer Erfahrung nach?
Stellen Sie sich den Betrieb als einen Baum vor. Nach einer überstandenen Krise sind die Wurzeln tiefer und verdorrte Äste abgefallen. Die Vitalität ist gestärkt.
Dafür gibt es leider weder für den Baum noch für einen Betrieb eine Garantie.
Aber es gibt Zuversicht, fachliche, emotionale und soziale Intelligenz, Fähigkeiten und die Möglichkeit sich gegenseitig zu ermutigen und beherzt zu kümmern. Jeder kann andere einbeziehen, mit ihnen kommunizieren und dabei vor allem auch zuhören und gemeinsam reflektieren und angemessen zu handeln, mit klarem Fokus.
Das bedeutet dann, zu tun, was zu tun ist und dabei immer wieder genau hinsehen, wahrnehmen und wertschätzen und kommunizieren, was gut läuft und sich und die Anderen erinnern, wo die gemeinsame Kraft und Stärke liegen. So entsteht der Weg des Gelingens.
Vielen Dank für das Gespräch!
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