Einsam sind an der Führungsspitze heute keine Meriten mehr zu verdienen. Als Kulturentwickler in Betrieben und Organisationen habe ich Wege gefunden, auf denen ein gemeinsames Verständnis für das Grundsätzliche eines Unternehmens entstehen und erfolgreich wirken kann.
Autor: Jürgen Schmidt-Hillebrand
Die aktuellen Schwierigkeiten und die wirtschaftliche Gesamtsituation stellen viele Unternehmensführer vor gewaltige und sehr anspruchsvolle Aufgaben und Entscheidungen. Während die in die Linienorganisation des Betriebes eingebundenen Führungskräfte stets hoffen dürfen, von ihren Vorgesetzten Hinweise, Orientierung und bei der praktischen Handlung auch Unterstützung zu erhalten, bleiben die Mitarbeiter der obersten Führungsetage für sich allein.
Als Geschäftsführer oder Betriebsleiter absolut verantwortlich und persönlich haftbar, steuern sie das Unternehmen auch durch diese schwierigen Zeiten und erkennen zum Teil organisationsspezifische Versäumnisse der Vergangenheit.
Zu oft haben sich die Augen nur auf die betrieblichen Kennzahlen und Stundensätze, die technischen Neuerungen und die Kundengewinnung gerichtet, ohne dabei auch dien anderen grundsätzlichen Themen der Unternehmensführung aufzunehmen. Dies sind zum Beispiel die Schaffung von soliden Führungsstrukturen und der dazugehörigen Instrumente und Prozesse, die Auseinandersetzung mit der Unternehmenskultur und ihren Werten.
Ebenso wurde versäumt, ein funktionierendes System für sich selbst zu gestalten, eine nährende und wohltuende Umgebung aufzubauen, als Quelle der eigenen Inspiration und Kraftschöpfung. So bleiben und verstärken sich Unsicherheiten und Ängste. Nicht selten sind chronische Überforderung bis hin zu ernsten gesundheitlichen Beeinträchtigungen die Folge.
Sich jedoch jemandem anzuvertrauen oder professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wird als ein unzumutbares persönliches Risiko angesehen bzw. sich selbst nicht zugestanden. Somit kommt ein weiteres Zurückziehen dazu, was das Gefühl von Einsamkeit und Belastung weiter steigert und die unternehmerischen Handlungen weniger wirksam werden lässt. Worin bestehen nun Anregungen für konstruktive Impulse und hilfreiche Perspektiven zu einer guten Unterstützung für diejenigen, die frei genug wären, sie für sich in Anspruch nehmen zu können?
Die nachfolgenden Überlegungen sollen einladen und inspirieren, wie und womit sich in einem Unternehmen für die Führenden eine andere Form der Selbstführung und ein höherer Grad an Selbst-Aktualisierung („wäre mir doch nur bewusst, was ich weiß und kann“) erreichen lässt und wie gute Unterstützung organisiert werden kann.
Üblich ist, für die unterschiedlichsten Dimensionen des Unternehmens quantitative Ziele zu definieren. Doch die Frage, wie diese Ziele erreicht werden sollen, bleibt offen und wird mehr oder weniger unreflektiert in das Handeln der unterstellten Führungskräfte delegiert. Hilfreich wären hierbei aus der Unternehmenskultur abgeleitete Werte bzw. Qualitäten. Sie würden das eigene und das gemeinsame Handeln mit Sinn und Bedeutung unterlegen und könnten einen Bezugsrahmen darstellen, der dem Geschäftsführer, seinen Führungskräften und allen Mitarbeitern auf dem Weg zu den wirtschaftlichen Zielen eine qualitative Orientierungshilfe bieten, wie dieser Weg gegangen werden soll.
Ein hoher Grad an Bewusstsein für das eigene Selbstverständnis, in dieser exponierten Führungsrolle auch als Vorbild zu wirken, erschafft einen weiteren Bezugsrahmen, der sich anbietet.
Ist die Führung – und insbesondere die oberste Führung – nicht in erster Linie eine Dienstleistung an die Mitarbeiter und für die Organisation? Wie aber gelingt es zum einen, diese Werte und Qualitäten aus der bestehenden Unternehmenskultur glaubhaft abzuleiten und für sich praktisch nutzbar zu machen? Und zum anderen, das Selbstverständnis für die eigene dienende Rolle im Unternehmen und für die Menschen stärker im Bewusstsein zu halten und sich in den dafür erforderlichen persönlichen Fähigkeiten weiterzuentwickeln?
Die Ressourcen hierfür sind oft vorhanden, aber eher weniger gepflegt und etabliert.
Könnten nicht zunächst schon aus der gemeinsamen Reflexion und Diskussion im Kreis des vorhandenen Führungsteams neue Einsichten gewonnen und die Wirkung von Entscheidungen klarer werden? Würden so nicht mögliche Konflikte und die damit verbundenen Kosten deutlich verringert? Lässt sich durch diese Form eines internen Führungsdialogs nicht die Einbindung der Führungskräfte und damit ihre Rollen-Identifikation deutlich erhöhen?
Dabei entsteht ein gemeinsames Verständnis für das Grundsätzliche: Welche Qualitäten und Werte, welche Haltungen, welche Überzeugungen, welche Grundannahmen motivieren uns auf dem Weg zum wirtschaftlichen Ziel und welche andere Art von Zielen haben wir außerdem? Wie wollen wir miteinander umgehen, kommunizieren und kooperieren? Wie wollen wir von unseren Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern und in der Gesellschaft erlebt werden?
In dieser Auseinandersetzung wird die neu entstehende Unternehmenskultur lebendig erfahren und bewusst gestaltet. So wird die Verantwortung und Intention und damit der Sinn der Arbeit für den Unternehmer und für seine Führungskräfte wie auch für alle Mitarbeiter sehr viel klarer. Ebenso kann auch die Hinzuziehung externer Unterstützung sehr hilfreich und förderlich sein.
In dem Vertrauenskontext mit einem externen persönlichen Coach oder Berater ließen sich persönliche Fragen und Schwierigkeiten bearbeiten, Perspektiven wechseln und Impulse aufnehmen. Oft tut es auch einfach einmal gut, Bestätigung und Wertschätzung zu erhalten, sodass einem selbst wieder die Augen aufgehen für die eigenen Erfolge und verdienstvollen Leistungen.
In diesem Rahmen kann dann ein Vertrauen wachsen, in dem sich der Führende öffnet und so die Menschen, Aufgaben und Ziele in einem neuen, ganz anderen Licht anzuschauen imstande ist. So kann er dann für sich den Zugang zu dem wirklich Wesentlichen neu finden. Es zeigt sich, dass vielfältige Möglichkeiten bestehen, die eigene Situation als Unternehmer oder Betriebsleiter zu gestalten. Besonders wesentlich dabei ist die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der Frage, wer oder was führt mich wohin und warum dorthin und wie geht es mir dabei.
Sich die eigene Ausrichtung und Motivation, die Gefühle und Bedürfnisse bewusst zu machen, sie einzubeziehen und entsprechend zu handeln, unterstützt das persönliche Wohlbefinden und die Wirksamkeit der unternehmerischen Handlungen und führt zu einem reiferen Umgang mit allen Schwierigkeiten und Chancen.